"Wir werden erst frei sein, wenn alle frei sind."

Ich freue mich heute für die Judeobolschwiener*innen hier sprechen zu dürfen.

Die Judeobolschewiener*innen, sind ein Kollektiv von in Wien lebenden linken Jüd*innen. Unser Denken und Handeln orientieren sich an den Prinzipien der Doikayt, Freiheit und Solidarität.

Ich stehe hier als Wienerin, als Enkelin eines jüdischen Grossvaters und einer nicht-jüdischen Grossmutter, die beide nicht allein Opfer oder nur Täter in der NS-Zeit waren, sondern sich gegen das NS-Regime nach ihren bescheidenen Möglichkeiten organisiert haben. Mein Grossvater hat schliesslich Mauthausen überlebt. Sie sind hier geblieben, sie waren Wiener*innen, sie wollten Frieden und Gerechtigkeit für alle Menschen.

Es hätte sie beschämt, dass im Namen der Bekämpfung des Antisemitismus heute zu  Ermordung, Unterdrückung und Gewalt von Palästinenser*innen geschwiegen wird.

Es sollte uns alle beschämen und aufrütteln!

Wir haben ein paar Fragen an österreichische Politiker*innen, an Medienmacher*innen und weite Teile der Zivilgesellschaft.

Wollt ihr wirklich schweigen, während 30 der 35 Krankenhäuser in Gaza nicht mehr in Betrieb sind, weil Israel weder Strom noch ausreichend medizinische Güter nach Gaza lässt?

Wollt ihr wirklich schweigen, während mittlerweile um die 60.000 verletzte Palästinenser*innen in Gaza so gut wie keine medizinische Versorgung mehr haben?

 Zusätzlich zu den regulären Kranken und Verletzten, die nicht das Resultat der unerbitterlichen israelischen Bombardierungen sind?

Wollt ihr wirklich schweigen, während die mittlerweile über 23.000 getöteten Palästinenser*innen in Gaza, fast die Hälfte davon Kinder, nicht mehr ordentlich begraben werden können, weil es schlichtweg zu viele Tote auf einmal sind und die israelischen Bomben weiter unermüdlich vom Himmel fallen?

Wollt ihr wirklich schweigen, während Israel den knapp 2 Millionen Menschen in Gaza den Zugang zu sauberem Wasser verwehrt?

Wollt ihr wirklich schweigen, während sich ansteckende Krankheiten unter den Überlebenden und Vertriebenen in Gaza ausbreiten?

Wollt ihr wirklich schweigen, während Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen in Gaza von israelischem Militär angegriffen werden?

Wollt ihr wirklich schweigen, während Kinder und Erwachsene in Gaza und im besetzten Westjordanland wieder und wieder traumatisiert werden?

Wollt ihr wirklich schweigen, während ganze Familien in Palästina von israelischen Bomben und Kugeln ausgelöscht und auseinandergerissen werden?

Wollt ihr wirklich schweigen, während Palästinenser*innen im besetzten Westjordanland zu Tausenden verhaftet, ohne Anklage eingesperrt und von israelischen Soldat*innen gefoltert und erniedrigt werden?

Wollt ihr wirklich schweigen, während Israel Kriegsverbrechen unter dem Vorwand eines „Krieges gegen den Terror“ begeht?

Wollt ihr wirklich schweigen, während Palästinenser*innen kollektiv bestraft werden dafür, dass sie trotz jahrzehntelanger Besatzung und Kolonisierung weiter existieren und für ihre Befreiung, für ein Leben in Selbstbestimmung und Würde kämpfen?

Wir Judeobolschewiener*innen, wir ALLE hier heute auf dieser Demonstration, wir schweigen nicht. Und wir werden uns nicht zum Schweigen bringen lassen.

Viele von uns sagen schon lange, auch lange vor dem 7. Oktober: Es reicht! Genug ist genug! Schluss mit dem Rassismus und der Gewalt, Schluss mit der Besatzung und Kolonisierung Palästinas, Schluss mit der Unterdrückung und Kriminalisierung palästinasolidarischer Stimmen in Österreich und weltweit.

Als Jüd*innen sagen wir ganz bewusst auch: Hört auf, unsere Verfolgungsgeschichte zu missbrauchen! 

Es macht mir Angst, wenn man sich hier Bekannte, Freund•innen, Kolleg*innen, aber auch Medien und Politiker mehr damit beschäftigen ob der Ruf "Israel Kindermörder" antisemitisch sein könnte, als damit, dass die israelische Armee tatsächlich Kinder tötet. Denn damit kämpfen sie nicht gegen Antisemitismus, sondern instrumentalisieren diesen Begriff und leugnen die gewaltvolle Realität des aktuellen Krieges und der israelischen Besatzung.

Israel und seine Unterstützer*innen handeln nicht in unserem Namen und nicht für unsere Sicherheit.

Wir werden erst frei sein, wenn alle frei sind. Ein Waffenstillstand ist das Mindeste, was jetzt sofort geschehen muss.

Lasst Gaza leben, lasst Gaza frei! Lasst Palästina leben, lasst Palästina frei!

 

[Zahlen von https://www.aljazeera.com/news/longform/2023/10/9/israel-hamas-war-in-ma...

 

Aufruf zur Demo

Bericht Demo

Rede von Monika