Freiheit – From the river to the Landespolizeidirektion!

Eine Erklärung des Arabischen Palästina-Clubs zum Versuch der Polizei, die Forderung nach der Befreiung Palästinas zu kriminalisieren

Nach der Anmeldung einer Demonstration am 29. Oktober zum Thema „Solidarität mit palästinensischen Volk, insbesondere in Gaza, Schluss mit der österreichischen Unterstützung der israelischen Angriffe, für die Einhaltung der österreichischen Neutralität“ erhielten wir eine Ladung zur Wiener Landespolizeidirektion (LPD) am Schottentor.  Das Gespräch verlief ähnlich wie frühere Gespräche, und betraf neben den technischen Aspekten der Demo (Material, Ort, Marschroute) die üblichen Pflichten des Anmelders im Falle von gesetzwidrigen bzw. hetzerischen Vorgängen. Danach wurde den Anmeldern ein Protokoll zum Unterschreiben vorgelegt, in dem explizite politische Bedingungen für die Genehmigung der Demonstration gestellt wurden. 

„Sollten in der Versammlung Aufrufe zur Verhetzung bzw. andere gesetzwidrige Vorgänge erfolgen, insbesondere der Slogan „From the river to the sea, Palestine will be free“ skandiert werden, so werden die Versammlungsleiterin bzw. ihre Ordnerinnen dementsprechend einschreiten und solche Vorgänge unterbinden bzw. als letzte Möglichkeit die Versammlung aus eigenem auflösen“

Diese absurde Forderung ablehnend, die Befreiung Palästinas als besonders menschenfeindlich zu bezeichnen, verlangten die Anmelder die Streichung dieses Slogans aus dem Protokoll bzw. die der Wahrheit entsprechende Umformulierung, dass sie die Ansicht der Polizei diesbezüglich und deren Willen, die Demonstration im Falle seines Ausrufs aufzulösen, zur Kenntnis nehmen.

Der Beamte der LPD diktierte willkürlich den folgenden Absatz, alle Aussagen der Anmelder ignorierend:

„Anmerkung des Einreichers: Der Slogen „from the river to the sea Palestine will be free” ist kein menschenverachtender oder verhetzender Slogan, sonder ein rein politisches Statement. 

Frage des Behördenvertreters an den Einreicher: Wird bei Äußerung dieses Slogans während der Versammlung seitens des Einreichers dagegen vorgegangen werden?

Antwort des Einreichers: Der Versammlungsleiter wird gegen die Äußerung selbst nicht einschreiten, sondern nach eigener Formulierung klarstellen, dass es sich bei diesem Slogan um ein rein politisches Statement handelt. Auf ausdrücklicher Befragung gibt der Einreicher an, dass es sich bei diesem Slogan um keinen menschenverachtenden oder verhetzenden Slogan handelt.

Die Rechtsansicht der Landespolizei Wien wird nicht mitgeteilt.

Dem Einreicher wird mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, die Versammlung zu untersagen.

Dem Einreicher wird eine Frist zur Stellungnahme bis 25.10.2023 14 Uhr eingeräumt“

Erwähnenswert aus dem rechtlich/administrativen Teil dieses Anliegens ist, dass sich dabei die Wiener Polizei selbst widerspricht. In einem Tweet zu diesem Thema am 17.10. führt die LPD Wien unter Hinweis auf die „derzeit geltende Judikatur“ aus, dass dieser Satz keinen Anlass zur Auflösung einer Versammlung gegeben hat. Demnach erfüllte der Slogan nicht den Tatbestand der Verhetzung. Die LPD Wien hat exakt eine Woche vor jener Versammlungsbesprechung öffentlich den Rechtsstandpunkt vertreten, dass der hier gegenständliche Satz rechtlich insofern unproblematisch ist, als er nicht gegen Gesetze verstößt. 

Wir fügen diesem Bericht den politischen Teil der Stellungnahme zu, die der Landespolizeidirektion am Abend des 24.10. abgegeben wurde.

 

1.     Zum Inhalt des genannten Satzes

Der Inhalt des Satzes „From the river to the sea, Palestine will be free“ legt in keiner Weise dar, dass er sich gegen Menschen richtet, sondern lehnt er ein politisches System oder ein politisches Regime ab. Die Behörde nimmt offensichtlich zur Begründung ihrer unrichtigen Rechtsauffassung eine einseitige, unreflektierte und unbegründete Auslegung dieses Satzes vor und zieht diese Auslegung als Scheingrund heran, um eine friedliche Versammlung von Tausenden von Menschen zu untersagen, welche gegen einen Krieg protestieren möchten. Der Grund hierfür ist rein politisch.

Der Anmelder hat bei der Kundgebung vom 17.10.2023 die Bedeutung des Satzes „From the river to the sea, Palestine will be free“ erklärt. Bei dieser Kundgebung handelt es sich übrigens um exakt jene Kundgebung, welche die Behörde zum Anlass genommen hat den Tweet gemäß Beilage ./1 zu veröffentlichen. Der Anmelder führte aus:

Wenn Bundeskanzler Nehammer von der Territorialität Israels spricht, so betonen wir, dass wir heute in Palästina einen kolonialen Staat mit einem expansionistischen, exklusiven und aggressiven Charakter haben, der es geschafft hat, tatsächlich vom Jordan bis zum Mittelmehr eine Million Menschen zu vertreiben und ein Regime errichtet hat, in dem die Bedürfnisse einer bestimmten Gruppe von Menschen den Bedürfnissen aller anderen Menschen der Region übergeordnet sind. Dieser Staat besteht auch darauf, dieses Regime „from the river to the sea“ und darüber hinaus aufrechtzuerhalten.

Die palästinensische Befreiungsbewegung hat seit ihren Anfängen das Ziel, in ganz Palästina einen demokratischen Staat zu errichten, in dem die Menschen gleichberechtigt leben können, und der ein Teil der Region ist und nicht gegen sie arbeitet. Die Befreiung Palästinas ist die Beendigung dieser kolonialen Situation und Befreiung aller dort lebenden Menschen vom zionistischen Regime und die Schaffung von Bedingungen, wo die Menschen gleichberechtigt leben können. Das ist das Palästina from the river tot he sea, das wir wünschen. Ein Palästina, wo Gerechtigkeit, Menschenwürde und Gleichheit wiederhergestellt sind. Ein Palästina frei von Hass, Rassismus und den menschenverachtenden Zionismus.

Es ist evident, dass es sich um ein rein politisches Statement handelt, welchem in keiner Weise Verhetzung oder ein sonstiger rechtswidriger Inhalt unterstellt werden kann. Die Annahme der Behörde, dass der gegenständliche Satz „From the river to the sea, Palestine will be free“ menschenverachtend sei, ist frei erfunden und entstammt dieser einseitigen, unqualifizierten Auslegung durch die Behörde, welcher jedes Fachwissen für eine derartige Auslegung fehlt. Es steht der Behörde im Übrigen nicht zu, den Inhalt dieses Satzes zu beurteilen und die inneren Gedankenvorgänge der demonstrierenden Menschen derart zu interpretieren, dass einem politischen Standpunkt eine Strafrechtwidrigkeit zugeschrieben wird. Die Behörde sollte ihren Platz im rechtsstaatlichen System kennen und wissen, dass ihr diese Interpretation, die aus dem Nichts eine Strafrechtswidrigkeit herbeiführen will, nicht zusteht.

Die Behörde hat in der Vergangenheit immer wieder behauptet, dass der hier gegenständliche Satz dem Staat Israel „das Existenzrecht verweigert“. Es ist aber völkerrechtlich völlig unstrittig und kann daher auch als behördennotorisch angenommen werden, dass die international von nahezu allen Ländern der Erde anerkannten palästinensischen Gebiete sich vom Mittelmeer (beginnend im Westen des Gazastreifens) bis zum Jordanfluss (am östlichen Ende des Westjordanlandes) erstrecken. Die Behörde lässt dies aber außer Acht und maßt sich stattdessen eine alleinige Auslegungskompetenz zur Bedeutung des obigen Satzes an. Sie versucht nicht einmal die Bedeutung des Satzes zu hinterfragen, sondern nimmt einfach die denkbar negativste Auslegung zum rechtlichen Nachteil des Anmelders und der Versammlungsteilnehmer an. Für diese Annahme fehlt der Behörde jede Grundlage.

Nicht einmal wenn es so wäre, dass der zitierte Satz dem Staat Israel das Existenzrecht zwischen Mittelmeer und Jordanfluss absprechen würde (was die Behörde auch nicht einmal festzustellen versucht, sondern einfach unterstellt), wäre die Untersagung der Versammlung rechtens.

Die Bestreitung des „Existenzrechts“ eines beliebigen Völkerrechtssubjekts (sei es nun Israel, Österreich, die Sowjetunion, Taiwan oder etwa die Republik Rhodesien) ist nicht strafrechtswidrig, nicht hetzerisch und nicht menschenverachtend, da ein solcher Standpunkt keinerlei Berührungspunkte mit der Frage hat, welche Menschen wo leben können, dürfen oder sollen. Wiewohl es dem politischen Standpunkt des österreichischen Staates (und der Behörde) entsprechen mag, dass eine derartige Äußerung unerwünscht und falsch ist, ist ein Abweichen von diesem Standpunkt keineswegs ein ausreichender Grund, eine Versammlung zu untersagen.

Die Behörde äußert keinerlei echte Bedenken über die Möglichkeit von gesetzwidrigen Äußerungen oder Handlungen im Sinne des § 11 oder § 13 Versammlungsgesetz. Ein hetzerischer oder menschenverachtender Inhalt kann dem gegenständlichen Satz ferner nicht unterstellt werden. Der Anmelder hat sich außerdem dazu verpflichtet, im Fall von (echten) Aufrufen zur Verhetzung oder im Fall gesetzwidriger Vorgänge entsprechend einzuschreiten, derartige Vorgänge zu unterbinden und als letzte Möglichkeit die Versammlung aus eigenem aufzulösen. 

Die von der Behörde in Aussicht gestellte Untersagung der Versammlung ist daher offenkundig rechtswidrig. Der Anmelder hält daher seine Anmeldung vollinhaltlich aufrecht und beantragt die Zulassung der inhaltlich uneingeschränkten Abhaltung der friedlichen Versammlung im Rahmen der gesetzlichen Rahmenbedingungen.