Das Kasperletheater in Washington geht weiter

Das Nahostproblem – wohin?Morgen, Donnerstag, den 2. September 2010, findet in Washington eine neue Verhandlung zum Nahen Osten statt. Heuer wird das Theaterstück mit neuen Figuren wiederholt – wie damals mit Clinton, Rabin, Barak oder Arafat. Diesmal wird das Stück mit dem neuen amerikanischen Präsidenten Obama, mit dem neuen israelischen Premier Netanyahu und dem Chef der palästinensischen Behörde, Mahmud Abbas aufgeführt. Dieser Gipfel wird in einer hektischen Situation stattfinden, in der sich die USA in einem Dilemma in ihrer Außenpolitik wie auch in der Innenpolitik befinden. Vorgestern wurde bestätigt, dass der amerikanische Präsident seine US-Truppen aus dem Irak abgezogen hat, was an alle westlichen Staaten weitergeleitet wurde.

 

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Heute befindet sich Israel in einer heiklen Situation, auf militärischer Ebene, auf wirtschaftlicher Ebene, auf sozialer Ebene, auch auf diplomatischer und politischer Ebene. Mit diesem Gipfel in Washington versucht Präsident Obama ein neues Image für die USA herzustellen: dass er für die Verträge einsteht, die er in Kairo, auf der Universität damals versprochen hat, dass Ende 2010 ein palästinensischer Staat ausgerufen werden soll und ein Ende des Nahostkonflikts erklärt wird. Um von seinen Problemen, die in der Außenpolitik wie in der Innenpolitik bestehen, abzulenken oder besser gesagt davor davonzulaufen. Gleichzeitig befindet sich die israelische Regierung momentan in einer neuen Isolation, wie sie nie vorher bestanden hat. Besonders da die 9 Ermordeten auf dem Mavi Marmara Schiff türkische Staatsbürger waren und die Türkei, seit und noch vor der Gründung des zionistischen Gebildes, ein Verbündeter Israels war. Heute gibt es eine politische und diplomatische Krise zwischen den beiden Staaten, der Türkei und Israel. Und die Krise zwischen den beiden wird weiter verschärft und es ist momentan kein Ende dieser Krise abzusehen.

 

Israel befindet sich auch in seiner Politik in einer Sackgasse. Es kann mit seiner Politik und seiner militärischen Strategie niemanden finden, der die israelischen Forderungen akzeptiert. Etwa die jüdische Stadt, die sie immer wieder propagieren, dass Jerusalem die unteilbare ewige und ungeteilte Hauptstadt Israels sein soll. Und dass keinem Palästinenser erlaubt sein soll, in sein Dorf oder seine Stadt, wo er vor 1948 gelebt hat, zurückzukehren. Wegen dieser Show in Washington glaubt die israelische Regierung, dass sie eine Atempause bekommt, um ihr Image zu polieren und teilweise aus ihrer Isolation rauszukommen. Obwohl jede Partei, die auf diesen Gipfel kommt, sogar die Israelis, offizell ohne Forderungen dorthin kommen, oder die Tagung verlassen müssen. Die wichtigen Themen, wie man von früheren Verhandlungen weiß:

 

Erstens die Jerusalemfrage. Die Palästinenser fordern, da die Israelis Jerusalem seit 1967 besetzen und weitere Teile 1980 offiziell annektiert haben, dass Ostjerualem die Hauptstadt des palästinensischen Staates wird, was die Israelis ablehnen. Sie betonen immer wieder, dass Jerusalem unteilbar ist und die Hauptstadt Israels wird.

 

Die zweite heikle Frage ist die Grenze. Die Palästinenser fordern, der zukünftige palästinensische Staat soll in den Grenzen vom 4. Juni 1967 entstehen, also wie vor dem Krieg von 1967. Die Israelis lehnen das ab und sagen, man muss Gebiete austauschen. Die Siedlungen in der Westbank müssen an Israel angegliedert werden, um dafür vielleicht Teile von der Negevwüste an die Palästinenser abzugeben. Gleichzeitig fordern die Israelis, dass das Jordantal, eine wichtige strategische Sicherheitszone für Israel, unter Sicherheitsgarantien usw. also unter israelischer Militärhoheit stehen soll, um Israel gegen seine so genannten Feinde zu verteidigen. Gleichzeitig müssten diese Siedlungen, welche die so genannte Internationale Gemeinschaft als illegal betrachtet, wie immer wieder betont wird, zerstört werden. Israel behauptet, dass sie ein Teil von Israel sind und an das Kernland angegliedert werden sollen. Und die Kolonialisten, die so genannten Siedler, sollen unter die israelische Hoheit kommen und in ihren Siedlungen bleiben. Also Israel bleibt als Besatzungsmacht.

 

Dazu kommt noch die Flüchtlingsfrage. In der Diaspora befinden sich mehr als 5 Millionen Flüchtlinge, die zwischen 1948 und 1967 durch die israelischen Kriege von ihrer Heimat und ihren Dörfer mit Gewalt vertrieben wurden. Israel lehnt ab, dass diese Flüchtlinge, wie in der UNO-Resolution 194 aus dem Jahr 1948 festgelegt wurde, das Recht erhalten, entweder in ihre Heimat zurückzukehren oder Entschädigung erhalten (was von der Entscheidung der jeweiligen Betroffenen abhängt, über die niemand anderer verhandeln kann). Israel lehnt die Rückkehr der Flüchtlinge ab. Das wird mit der Behautung begründet, dass die Rückkehr eine demographische Bedrohung für Israel bedeuten würde.

 

Eine weitere kritische Frage: Israel verlangt, wenn ein palästinensischer Staat entstehen sollte, muss er unbewaffnet sein und die Lufthoheit und die Außengrenze unter Kontrolle des israelischen Militärs stehen. Das heißt, eine neue moderne Besatzungsmacht, die kontrolliert, wann du wohin gehst, wann du atmest, wann du spazieren gehst.

 

Eine weiterer Verhandlungspunkt, das sind die Wasserressourcen. Israel beansprucht 80 % des Grundwassers in der Westbank. Die Palästinenser verlangen ihre Rechte auf diese Ressourcen, da momentan ein enormer Wassermangel in der Westbank besteht. Gleichzeitig ist die Bevölkerungszahl in der Westbank sowie dem Gazastreifen innerhalb der letzten 10 Jahre ständig gestiegen und der Bedarf an Wasser gewachsen. Ein israelischer Kolonialist verbraucht täglich fünfmal soviel Wasser wie ein Palästinenser. Für ihre Swimmingpools, für ihre Gärten. Und die Palästinenser müssen für ihr eigenes Wasser auch noch zahlen, denn was von den Israelis beschlagnahmt wurde, wird an die Palästinenser wieder verkauft.

 

Die Palästinenser gehen zu diesem Verhandlungsgipfel nach Washington, sie haben aber keine große Hoffnung, auch nicht das Team von Abbas. Die Palästinenser befinden sich momentan, besonders nach der Spaltung, in einer katastrophalen Situation. Da sind die, von der Fatah, die nach Verhandlungen rufen und auf der anderen Seite die Kräfte, die gegen Verhandlungen und für die Befreiung Palästinas sind, sowie die Widerstandskräfte, die im Gazastreifen stärker sind. Abbas geht dorthin und sagt mit vollem Mund: Ich weiß, die Hoffnung liegt bei einem Prozent. Er wurde von den Amerikanern gezwungen zu den Verhandlungen zu gehen. Auch von den Europäern, die immer eine Zweistaatenlösung versprochen haben. Sie haben ihn erpresst mit ihren Finanzen. Entweder kommst du dorthin oder die Finanzhilfe, der Hahn wird abgedreht. Geh dorthin ganz nackt. Keine starken Waffen in der Hand. Aber trotzdem: geh. Die Drohungen von der Verhandlungsdelegation, dass falls Israel die Siedlungen ausbaut, sie sich von diesen Verhandlungen, denen ein Rahmen von einem Jahr gesetzt wurde, zurückziehen wollen, ist eine leere Drohung.

 

Aber die Situation kann sich sehr schnell ändern. Das palästinensische Volk hat immer wieder bewiesen, in jeder Krise in der Geschichte, dass es auf einmal aufsteht. Gestern hat man gesehen, wie ein Kommando von Al Quassam in der Nähe von Hebron eine militärische Aktion gegen Kolonialisten von der Kiryiat Arba-Siedlung durchgeführt hat, wo vier Kolonialisten ermordet wurden. Das war ein Signal: wir können unsere militärischen Aktionen überall durchführen, wenn wir wollen. Der Zeitpunkt, kurz vor den Verhandlungen, und der Ort waren eine Katastrophe für das israelische Militär. Der Ort, wo diese Aktion stattgefunden hat, steht unter Zone C, wo die volle Verwaltung und Sicherheit unter israelischer Militärkontrolle steht. Die palästinensischen Organisationen fangen in diesen Tagen wegen dieser Verhandlungen zu mobilisieren an. Sie wissen, diese Verhandlungen führen zu gar nichts und dienen nur israelischen und amerikanischen Interessen. Sie glauben, dass das Abbas-Team momentan in einer schwachen Position ist und die arabischen Unterstützer, so wie Ägypten unter Mubarak oder Jordanien von König Abdullah, nur als Erpresser und Unterdrücker des Abbas-Teams in Washington sind und nicht als Unterstützer für Abbas in diesen Verhandlungen. Trotzdem, die Themen, die ich vorher erwähnte, sind Kernpunkte, denn wenn Abbas einen Punkt aufgeben sollte, kommt er zurück als Verräter und würde gestoppt werden, auf politischer wie auf persönlicher Ebene. Der Widerstand ist stark genug, um jegliches Abkommen, das Abbas und sein Team durch Druck von den USA oder den europäischen Ländern oder den arabischen reaktionären Regimes von Ägypten oder Jordanien eingehen könnte, zu verhindern und eine neue palästinensische Intifada auf die Beine zu stellen. Heute befindet sich das Widerstandslager im Gazastreifen, im Libanon mit Hisbollah sowie in Syrien oder Iran auf einem Höhepunkt auf verschiedenen Ebenen. Auf moralischer Ebene, auf diplomatischer Ebene, auch auf militärischer Ebene. Und sie wissen ganz genau, wenn diese Verhandlungen in eine Sackgasse geraten, dann befindet sich der gesamte Nahe Osten in einem totalen Krieg. Das ist schlimm für die Zivilbevölkerung in allen Ländern, aber die Leute sind bereit, diesen Preis zu zahlen, um sich und ihre Kinder und ihre Zukunft vom Joch der Besatzer der Israelis und dem Joch der Amerikaner endlich zu befreien.

 

Gestern war eine Kundgebung zum Gedenken an die Ermordung des PFLP-Führers Abu Ali Mustafa, der vor 9 Jahren in einem Büro in Ramallah von einer Rakete getötet wurde. Und morgen beginnen in allen Städten im Gazastreifen und auch in der Westbank alle Organisationen, die von diesen Verhandlungen enttäuscht sind, zu mobilisieren.

 

In den gestrigen Kommuniques haben sich alle diese Organisationen gegen die Verhandlungen ausgesprochen: die Vertreter von der PFLP, von der Demokratischen Front, von der Volkspartei, von der Hamas und andere.

 

Die Verstärkung der Positionen gelingt nicht durch Verhandlungen, sondern nur durch die Vereinigung der Palästinenser, um eine neue Einheitsregierung zu gründen. Die Blockade muss weg. Die Koordination zwischen Abbas und Fayyad gegen die Widerstandskämpfer muss aufhören, das ist ein wichtiger Punkt. Der Kampf gegen die rassistische Trennungsmauer in der Westbank ist auch ein wichtiger Punkt. Nicht nur mit Demos, sondern mit allen Mitteln. Auch gegen die Europäer muss mit einer Stimme geredet werden. Nicht nur wegen der Drohungen wegen Finanzen und so weiter, sondern es muss betont werden, dass wir Rechte haben.

 

Die Israelis müssen endlich wissen, dass es so nicht weiter geht. Die Blockade muss weg, ein palästinensischer Staat muss gegründet werden, die Siedlungen müssen zerstört werden und die Siedler von hier weg, wie es die UNO Resolutionen und das so genannte Nahost-Quartett zusagten. Wo auch die Europäer dabei sind, die das Recht der Palästinenser auf eine Zweistaatenlösung versprochen haben. Entgegen ihrer Heuchelei und den Druck, den sie auf die palästinensische Führung ausüben, muss ihnen klargemacht werden, dass sie einen Boykott gegen Israel führen müssen, auf diplomatischer, wirtschaftlicher, akademischer, militärischer  und auch auf Sicherheitsebene.