Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel

Bundeskanzleramt
Bundeskanzlerin Angela Merkel
Willy-Brandt-Straße 1
10557 Berlin

Berlin, den 20.04.2008

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Dr. Merkel,

die unterzeichnenden arabischen Vereine begrüßen Ihre Initiative, sich
mit einer Friedenskonferenz Anfang Juni in Berlin für einen Frieden
zwischen Israelis und Palästinensern einzusetzen.

Wie aus den Medien zu erfahren war, soll die Konferenz, die
Palästinenser darauf vorbereiten ihren eigenen Staat zu organisieren.
Bisher aber wird seitens der israelischen Regierung alles getan, um eine
Perspektive für einen souveränen palästinensischen Staat zu verhindern.

Ungeachtet des internationalen Rechts führt die israelische Armee ihre
Angriffe gegen die palästinensische Bevölkerung durch. Wie der
Sonderberichterstatter John Dugard am 21. 1. 2008 im Menschenrechtsrat
der Vereinten Nationen berichtete, werden die Militäreinfälle nach Gaza
noch immer regelmäßig fortgesetzt, wodurch allein in den letzten zwei
Jahren in Gaza 668 Palästinenser getötet wurden. Davon waren mehr als
die Hälfte – 359 Menschen – zu dem Zeitpunkt als sie getötet wurden,
nicht in Feindseligkeiten involviert. 126 waren Minderjährige, 361
wurden durch Raketen getötet und 29 waren zur Ermordung ins Visier
genommen worden.

Seit dem 28. September 2000 hat die israelische Armee 20.000 Kinder
verletzt, davon haben 1.500 irreparable Verletzungen.

Mit den Angriffen der israelischen Armee werden im Gazastreifen
systematisch die Lebensbedingungen für die Bevölkerung vernichtet.
Elektrizitätswerke, Wasserversorgungsanlagen und Treibstoffstationen
werden zerstört, Kirchen und Moscheen bombardiert.

Seit der Bombardierung des größten Elektrizitätswerkes im Jahre 2006 und
der anschließenden Beschädigung von Transformatoren ist die Versorgung
mit Strom unregelmäßig. Die Einfuhr von Treibstoff ist nur beschränkt
erlaubt. Die Stromversorgung für Wasserpumpen ist unzureichend. So haben
210.000 Menschen nur 1-2 Stunden am Tag Zugang zu Trinkwasser. Die
Abwasserentsorgung ist gestört. Die Folgen sind für die Bewohner von
Gaza verheerend. Sie heißen Armut, Krankheit, Seuchen und Tod.

Die israelische Regierung begründet die Militärinvasion damit, dass dies
eine Abwehr der Raketen-Angriffe der Hamas auf Israel sei. Wir fragen
Sie: Sind Neugeborene, spielende Kinder, alte Menschen oder schwangere
Frauen Terroristen? Ganze Familien wurden im Schutt ihrer Wohnhäuser
begraben. Auch vor Krankentransportern machte das Militär keinen Halt.
Es ist eine Tatsache, dass die israelischen Angriffe ohne Rücksicht auf
die Zivilisten erfolgen und dass diese nach der Vierten Genfer
Konvention Kriegsverbrechen sind. Israels Maßnahmen verstoßen gegen das humanitäre Völkerrecht.

Tatsache ist, dass im Dezember 2007 Hamas einen Waffenstillstand
vorgeschlagen hat. Im März d. J. hat Hamas das Angebot wiederholt.

Waffenstillstand bedeutet für die Hamas: Die Palästinenser werden
aufhören, Kassam- und Mörsergranaten abzuschießen, die Israelis werden
aufhören, in den Gazastreifen einzufallen, sie beenden das gezielte
Töten und stoppen die Blockade.

Tatsache ist auch, dass der Gazastreifen das größte Gefängnis der Erde
ist. Alle Übergänge von und nach Gaza werden durch Israel kontrolliert.
Laut UN-Bericht vom 19. Februar 2008 hat Israel 580 feste und 364
bewegliche Checkpoints in der Westbank gebaut, dazu kommen 150
Metallschranken, die an den Toren vieler Städte gebaut wurden. Damit
werden ca. 150.000 Menschen gefangen gehalten. Wir werten es als
bedenkliches Zeichen, Frau Dr. Merkel, dass sogar unmittelbar nach Ihrem
Besuch im März d. J. in Israel Verteidigungsminister Barak erklärte,
dass die Kontrollpunkte und Straßensperren nicht aufgelöst werden.

Tatsache ist, dass Israel seit 1967 über 711.000 Palästinenser in
Gefangenschaft genommen hat, und zwar für durchschnittlich 333 Tage.
Anders gesagt: Eine halbe Million Jahre haben Palästinenser in
israelischen Gefängnissen verbracht.

Tatsache ist die konstante und intensive Unterdrückung der Palästinenser
durch die israelische Regierung. Das hat verheerende wirtschaftliche
Auswirkungen. So leben 70% der Palästinenser unter der Armutsgrenze.

Tatsache ist der Land- und Wasserraub in der Westbank. Premier Ehud
Olmert hat jüngst, kurz nach Ihrem Besuch in Israel, Frau
Bundeskanzlerin, neue Bauprojekte in Ostjerusalem angekündigt und
Wohnungsprojekte genehmigt.

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Dr. Merkel, wir möchten Ihnen deutlich
machen, dass die Initiative zu einer Friedenskonferenz nur Sinn macht,
wenn die deutsche Regierung auch selbst Friedenspolitik praktiziert.
Deshalb fordern wir von der deutschen Regierung den Stopp von
Waffenexporten in die Krisenregion, die Verurteilung der völkerrechts-
und menschenrechtswidrigen Kriegshandlungen und den Einsatz aller
diplomatischen Mittel zur Erreichung einer sofortigen Waffenruhe.

Frieden ist nur mit Gerechtigkeit möglich, wer Gerechtigkeit will, muss
Unrecht verhindern.

Hochachtungsvoll

Dachverband arabischer Vereine, Deutschland e.V.
Palästinensische Gemeinde, Berlin e.V.
Arabische Kultur Gesellschaft e.V.
Jordanische Gemeinde Deutschland e.V.
Al Irschad e.V.
Deutsch libanesische Albalagh Vereinigung e.V.
Palästinensischer Bund Deutschland für das Rückkehrrecht e.V.
Palästinensische Gesellschaft für Menschenrechte und Rückkehrrecht,
Deutschland, e.V.
Islamisches Kultur und Erziehungszentrum e.V.
Deutsch libanesische Emigranten Verein e.V.
Irakische Gesellschaft, Deutschland e.V.