Brief an Stadtschulrat und Universität Wien - Projekttag "Israel anders kennen lernen"

Stadtschulrat für Wien Amtsführende Präsidentin Mag. Dr. Susanne Brandsteidl Wipplingerstr. 28 1010 Wien

 

Universität Wien Rektor Univ. Prof. Heinz W. Engl Universitätsring 1 1010 Wien

 

Wien, am 26. Oktober 2014

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin Mag.a Dr.in Brandsteidl!

 

Sehr geehrter Hr. Rektor Prof. Engl!

 

Bezug nehmend auf den von der Universität Wien, Israelischer Botschaft und Wr. Stadtschulrat veranstalteten Projekttag „Israel anders kennen lernen“ erlauben wir uns, Ihnen unsere Stellungnahme dazu zu übermitteln.

 

Immer mehr Menschen weltweit, darunter zunehmend jüdische Gruppen wie Einzelpersonen sind entsetzt über die jüngst begangenen Kriegsverbrechen Israels an der palästinensischen Bevölkerung (einschließlich 800.000 Kinder) im Gazastreifen; ganz abgesehen von der jahrelangen Abriegelung, Blockade und Aushungerung der Menschen in Gaza, der illegalen Besatzung des Westjordanlandes und der Golanhöhen, dem von UNO, EU und vielen weiteren Staaten verurteilten, menschenrechtswidrigen Siedlungsbau, der Apartheidpolitik, dem ständigen Land- und Wasserraub, und die ungeheuerlichen pogromartigen Aktionen innerhalb Israels gegen afrikanische Flüchtlinge, um nur einige Beispiele anzuführen.

 

So sehr wir die Abhaltung solcher Informationsveranstaltungen zu Ländern und ihren Kulturen begrüßen, möchten wir im konkreten Fall eines Landes, dessen Nichteinhaltung sämtlicher UNO-Resolutionen bekannt ist, unsere Zweifel, Bedenken und Sorge kundtun.
Nach Studium des angebotenen Programms (das in Kooperation mit der Israelischen Botschaft aufgestellt wurde), sehen wir eine Einseitigkeit und vollkommene Ausblendung der seit mehr als 60 Jahren vorhandenen und praktizierten Realitäten wie ethnische Säuberung, Vertreibung, Rassismus und die Diskriminierung und Unterdrückung des palästinensischen Volkes.

 

Außerdem werden lt. Programm eindeutige Unwahrheiten verbreitet, wie beispielsweise in der Ankündigung des Seminars „Von der Orange zur High-Tech-Industrie“. Bereits seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es in Palästina Orangenplantagen, regen Export von Orangen, eine blühende Agrarwirtschaft etc. Die Heldenmythen rund um die israelische Staatsgründung sind längst von namhaften israelischen Historikern widerlegt. (Siehe Ilan Pappé, Simha Flapan, Benny Morris, u.a.)

 

Da sich der Projekttag an österreichische Schüler und Schülerinnen wendet, möchten wir auf eine Tatsache hinweisen, die wenigen Menschen hier bekannt sein dürfte, jedoch aufs Schärfste verurteilt werden muss:

 

Die israelische Armee verhaftet jährlich ca. 700 Kinder (viele unter 10 Jahre alt), verschleppt sie in israelische Militärgefängnisse, wo sie (oft unter Folter) gefangen gehalten werden, keinen Besuch ihrer Eltern erhalten dürfen, da diesen die Einreise nach Israel aus den besetzten Gebieten verboten wird . (Siehe auch: www.dci-pal.org; www.militarycourtwatch.org; http://www.unicef.org/oPt/UNICEF_oPt_Children_in_Israeli_Military_Detent... )

 

Wir sind weiters der Meinung, diese konkrete Veranstaltung kann, im Fokus der massiven Menschenrechtsverletzungen durch den Staat Israel gesehen, eher zu vermehrtem Antisemitismus führen, als ihn zu vermindern.

 

Jeder, der sich etwas ausführlicher mit der Materie beschäftigt, muss erkennen, dass es sich dabei um eine reine Propagandaveranstaltung handelt. Unsere Kinder und Jugendlichen haben wahrlich besseres verdient, nämlich alle Seiten zu hören, kennen zu lernen, um sich eine eigene Meinung bilden zu können.
Warum dürfen unsere Jugendlichen zum Beispiel nichts über eine israelische Organisation wie „Zochrot“(www.zochrot.org ) erfahren, die innerhalb Israels Aufklärungsarbeit zu Al Nakba leistet? (=die Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung von1948).
Und warum wird nichts über die Lebensbedingungen, den Alltag von palästinensischen Jugendlichen in Israel erwähnt?

 

Wir glauben, dass ein Staat, der sich selbst als Demokratie bezeichnet, der jedoch die längste Militärbesatzung über ein Volk in dessen eigenem Land ausübt, nicht eine derart besondere Auszeichnung und Aufmerksamkeit erhalten sollte, solange er nicht internationales Recht und universelle Menschenrechte akzeptiert und umsetzt.

 

Mit freundlichen Grüßen,

 

Paula Abrams-Hourani

Für Kritische Jüdische Stimme (Österreich) – Mitglied von Europäische Juden für einen gerechten Frieden (EJJP)

 

Dr. Angela Waldegg für Frauen in Schwarz (Wien)