Interview aus Gaza

Am 10. Juli führten wir folgendes Interview mit Gaza:

 

Wie ist die aktuelle Situation?

 

Die Luftangriffe erfolgen bei Tag und Nacht. In Khan Younis wurde ein zweites Krankenhaus zerstört, ganze Familien wurden Opfer der Angriffe. Mehr als 80 Wohnhäuser wurden zerstört. Israel hat keine militärisch-strategischen Ziele mehr und rächt sich dafür an der Zivilbevölkerung.

 

Habt ihr überhaupt noch Strom?

 

Im Moment haben wir zuhause keinen Strom. Und wenn es keinen Strom gibt, gibt es kein Wasser. Es ist unvorstellbar, unter welchen Bedingungen die Bevölkerung hier lebt und wie die Menschen sterben. Von gestern bis heute ist die Zahl der getöteten Personen von 38 auf 85 gewachsen (mittlerweile 98, die Red.) Die Zahl der Verletzten wurde gestern mit 220 angegeben, heute mit mehr als 570. Es traf vor allem Frauen, Kinder, alte Leute in ihren Häusern. Keine bewaffneten Leute. Denn der Widerstand ist unter dem Boden, er wurde unter die Erde, in die Tunnels, verlegt.

 

Ziele der Angriffe sind fast ausschließlich zivile Einrichtungen. Wohnhäuser, Institutionen, Rinderställe, Geschäfte, Straßen, Stromanlagen … Sie versuchen dadurch, dass die Leute sich gegen den Widerstand stellen und sagen: Genug! Gleichzeitig führt die israelische Armee eine schmutzige Kampagne. Da werden Leute auf dem Handy oder dem Festnetz angerufen und sie werden aufgefordert, ihre Häuser zu verlassen, weil sie bombardiert werden.

 

 

Es gibt zehntausende solcher Anrufe, um Panik in der Bevölkerung zu schaffen. Aber bis jetzt hat die innere Front der Palästinenser standgehalten. Das Volk steht hinter dem Widerstand.
Der Widerstand erzielt bis auf einige Ausnahmen Erfolge. Er konnte seine Raketen auf israelische militärische, geheimdienstliche und wirtschaftliche Einrichtungen abschießen und punktgenau treffen. Es gibt Verluste und Brände an diesen Orten und israelische Medien haben darüber berichtet. Gleichzeitig gab es Aufnahmen über Operationen, in Kam Abu-Salem, Karem Shalom auf hebräisch. Das Lager im Osten von Raffah wurde durch eine Offensive in die Luft gejagt. D.h. alle in diesem Lager sind entweder tot oder verletzt. Es wurde in Schutt und Asche gelegt.

 

Gleichzeitig wurde eine militärische Operation der Qassambrigaden auf einen Marinestützpunkt in der Nähe von Ashkelon durchgeführt, sie kamen über das Meer. Die Gruppe war ein Selbstmordkommando der Al Qassam, dem militärischen Arm der Hamas, sie haben ihre Aufgaben hundertprozentig erfüllt.

 

Denkst du, es kommt zu einer Bodenoffensive?

 

Die Israelis versuchen, eine Bodenoffensive zu vermeiden, denn sie wissen ganz genau, was ihnen dann im Gazastreifen bevorsteht. Alle Gruppen des Widerstands von Dschihad Islami bis zur PFLP, DFLP, die Al-Nakba-Brigaden, die Al-Qassambrigaden, leisten mit neuen Waffen einen Widerstand, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hat. Die Israelis wissen ganz genau, was auf sie wartet, durch den Tunnelwiderstand, der spezialisiert ist auf solche Kämpfe. Sie treffen dort auf sämtliche Organisationen. D.h. Israel steht momentan vor einer Katastrophe, sie sind der militärische Verlierer. Sie sind aber auch mit ihrer Luftwaffe gescheitert, denn es gibt keine Ziele mehr, nur Massaker an der Zivilbevölkerung. Zweitens, was die Bodenoffensive betrifft, die Israelis wissen ganz genau, das könnte zum Friedhof für ihre Armeen werden. Es könnte auch sein, dass mehrere ihrer Soldaten vom Widerstand festgenommen würden, und es zu einem neuen Fall „Shalit“ kommen.

 

Noch dazu zerbricht die innere israelische Front. Millionen von Israelis verstecken sich in ihren Bunkern oder fliehen auf die Straße, wie heute das israelische Fernsehen zeigte. Heute wurde Tel Aviv mehrmals mit M-75 angegriffen. Gleichzeitig wurde Haifa heute noch einmal mit der R 160 Rakete angegriffen. Die heißt so, weil sie einerseits nach dem von den Israelis getöteten Hamasführer benannt wurde. 160 bezieht sich auf die Weite von 106 km. Eine andere Stadt wurde mit G 80 Raketen bombardiert, d.h. G wie Ahmad Gabarie von denQassambrigaden, der damals ermordet wurde.

 

Die Opferzahl steigt stündlich, wie uns die Medien berichten. Obwohl die israelische Regierung auf eine Lösung drängt. Über die Schäden in Israel wurde eine Medienzensur der israelischen Armee verhängt. Aber die psychische Belastung für die israelische Bevölkerung ist sicher groß.

 

Wir erwarten heute neue Überraschungen vom Widerstand. Jeden Tag gibt’s neue Überraschungen. Denn der Widerstand hat geschworen, dass er sicher ist, diesmal Israel in die Knie zu zwingen. Jede Stunde, die der Krieg weitergeht, ist gegen das israelische Interesse. Der Widerstand weiß ganz genau, heute ist unsere Zeit, um trotz der israelischen Aggression der zionistischen Armee eine Lehre zu erteilen, dass sie nicht noch einmal den Gazastreifen ergreifen können. Besonders, da die Israelis am Anfang dachten, dass eine Aggression gegen den Gazastreifen günstig wäre, durch die Situation in den arabischen Ländern, da durch den Arabischen Frühling viele Länder mit inneren Angelegenheiten beschäftigt sind, so wie in Syrien oder im Irak. Sie wollten diese Situation für ihre Interessen ausnutzen. Aber jetzt hat sich alles um 180° umgedreht. Denn jetzt liegt die Initiative in den Händen des Widerstands. Israel hat den Krieg angefangen, aber weiß nicht, wie es ihn beenden kann.
Aber wir erwarten in den nächsten Stunden, dass das israelische Bombardement intensiver und zerstörerischer werden könnte, um wirklich mehrere Massaker an der Zivilbevölkerung anzurichten. Aber der Widerstand geht über ihre eigenen Linien hinaus, d.h. in allen Städten von Israel , bis nach Haifa und noch im Norden von Haifa bis nach Beerscheba und noch am Rande von Ashkelon, in Jaffa, in Jerusalem. Die Truppen stehen am Rande des Gazastreifens, von Osten bis Norden.

 

Kreat Malachi wurde gestern mit 10 Grad-Raketen beschossen. Die Zahl heute ist auf 30 gestiegen. (Kreat Malachi ist eine Industriestadt). Gleichzeitig wurde Ashkelon angegriffen.
Die Bewohner von Haifa haben die israelische Regierung aufgerufen, alle petrochemischen Lager und Fabriken aus der Stadt rauszubringen. Sie befürchten, dass die petrochemischen Anlagen von Raketen des Widerstands angegriffen werden könnten und eine Katastrophe für die Einwohner von Haifa auslösen könnten. Auch ein ehemaliger General der Gaza-Front sagte, auf militärischer Ebene können wir weder den Widerstand noch die Hamas bezwingen. Wir müssen darauf achten, dass keine Bodentruppen hineingezogen werden.

 

Die israelischen Beobachter auf TV und von den Sicherheitskräften sagen auch, dass uns bis jetzt Regierung und Militär nicht sagen können, was sie in diesen 4 Tagen erreicht haben. „Wir sehen nur das Bombardement der Zivilbevölkerung im Gazastreifen. Wir haben keine militärischen Lager bombardiert, wir haben keine Raketenabschussrampen bombardiert, wir haben keine militärischen Kader des Widerstands liquidiert, während mehr und mehr israelische Städte in die Reichweite der Raketen geraten. Wir können diesen Krieg gegen den Gazastreifen und den dortigen Widerstand nicht gewinnen!“ Das ist, was die Beobachter und Strategen der Israelis selber sagen.

 

Wir sind als Palästinenser überzeugt, dass wir diese Aggression gegen den Gazastreifen standhaft beenden können, dass wir eine echte Niederlage für die israelische Politik und das Militär schaffen können, dass wir Israel und seiner Führung eine neue Lektion erteilen können. Wir wissen, wir können auch durch die barbarische, verbrecherische Kriegsmaschinerie der israelischen Armee, durch die wir hohe personelle Verluste hinnehmen müssen, besonders in die Zivilbevölkerung und an Kindern und alten Leuten, nicht gebrochen werden…. Aber wir sind bereit, diesen Preis zu zahlen und unsere Würde, unsere Freiheit und Solidarität zu erreichen durch den Widerstand, den heute das gesamte israelische Volk gegen die Zionisten führt, um unsere Freiheit und Unabhängigkeit zu erreichen.