Die Gefäße zerbrechen

Also, die palästinensische Behörde wird nicht einseitig einen unabhängigen Palästinenserstaat erklären. Tatsächlich scheint die ganze Angelegenheit ein Missverständnis zu sein. In der Sorge, dass die USA rückwärts geht in Bezug einer Zweistaatenlösung in den Grenzen von 1967, und dass Israel die Welt an die „Tatsache“ gewöhnt, dass eher die Siedlungen und die Mauer als die 67er Grenzen nun die Parameter eines künftigen Palästinenserstaates (auf nur 15% des historischen Palästinas) definieren, wollte die Palästinenserbehörde (PB) einfach, dass der Sicherheitsrat jenes Prinzip wieder bestätigt. „Was sollen wir denn machen, während die israelische Regierung mit fait accompli Aktionen beschäftigt ist?“ fragte der palästinensische Unterhändler Saeb Erekat, „außer uns an den Sicherheitsrat zu wenden, um die Option von zwei Staaten zu erhalten? Wir wollten, dass der Sicherheitsrat die Zweistaatenlösung als einzige Option bestätigt und dass er einen Palästinenserstaat, der in den 67er Grenzen Seite an Seite mit Israel lebt, anerkennt.“ Die PB hoffte, erwartete vielleicht, dass die USA damit einverstanden sein würde. Durch eine Eskalation der Rhetorik wurde diese einfache Klarstellung zur Basis von Spekulationen auf dem Hintergrund des angedrohten Rücktritts von Präsident Mahmoud Abbas, dass die Palästinenser versuchen würden, die internationale Gemeinschaft zu zwingen, die Gründung ihres Staates zu erklären.

 

Was wäre aber, wenn es geschehe? Was wäre, wenn Abbas tatsächlich die Gründung eines Palästinenserstaates innerhalb der 67er Grenzen erklärte und die Länder der Welt bäte, diesen anzuerkennen, und dann die Aufnahme in die UNO beantragen würde?

 

Die Palästinenser haben die Wahl zwischen Pest und Cholera. Auf der einen Seite die Pest: die sich ständig verengende Schlinge der israelischen Besatzung. Die Konzentration der israelischen Siedler in strategischen Blocks in Ostjerusalem und der West Bank zerstören den territorialen Zusammenhang des palästinensischen Gebietes, auch dann wenn Israel Dutzende winzige Siedlungen innerhalb der engbevölkerten palästinensischen „Kantone“ auflöst. Die Siedlungsblocks sind schon in Israel durch den Bau von etwa neunundzwanzig größeren israelischen Landstraßen eingemeindet, was bedeutet, dass Israel sich von der grünen Linie bis zur jordanischen Grenze organisch ausgedehnt hat. Auch wenn die Trennungsbarriere abgebaut wird, ist das gesamte Land von Grund auf umgestaltet worden; es gibt einfach keinen Raum mehr für einen kohärenten, lebensfähigen, souveränen palästinensischen Staat. Und das Leid nimmt weiter zu. Feindselige, gefühllose israelische Soldaten bemannen weiterhin überall in den besetzten Gebieten Hunderte von Checkpoints, die, wenn sie Teil der Trennungsbarriere sind, die Form massiver Terminals einnehmen, in denen Tausende von Männern, Frauen und Kindern langen Wartestunden und demütigender Behandlung unterworfen werden. Die Geschwindigkeit der Häuserzerstörung nimmt täglich zu; 24 000 palästinensische Wohnungen wurden von Israel in den besetzten Gebieten seit 1967 zerstört, während israelische Gerichte weitere 10 000 Hausbesitzer unter der Androhung unerträglicher Bußgelder gezwungen haben, ihr eigenes Zuhause zu demolieren . Die palästinensische Präsenz in Jerusalem, das Herz des palästinensischen religiösen, kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Lebens, verschwindet rapide unter der konzentrierten Politik der Besiedlung, der Vertreibung palästinensischer Bewohner aus ihren Häusern und Landenteignungen, die beabsichtigt – wie Israel explizit erklärt – die Stadt zu „judaisieren“. Doch ohne eine bedeutsame palästinensische Präsenz in Jerusalem gibt es keine Friedensmöglichkeit; in der Tat keine Möglichkeit, den Westen, der die israelische Expansion erst möglich macht ,mit der gesamten muslimischen Welt zu versöhnen.

 

Auf der anderen Seite die „Cholera“: die Unwahrscheinlichkeit, dass die durch die USA und eines willfährigen Europas unterstützten Verhandlungen mit Israel irgendwohin führen werden. Der Osloer Prozess, der sieben Jahre währte (1993-2000) sah eine Verdoppelung der Siedlerpopulation auf 400 000 vor , während sich die Palästinenser eingepfercht in den Gebieten A und B befinden – etwa 70 Inseln auf nur 40% der West Bank – und in dem größten aller Gefängnisse, Gaza. Auf Oslo folgte die Road Map, der der Annapolis Prozess folgte und alles führt in die gegenwärtige Sackgasse, für die die Obama Administration keinen Plan hat. „Friedensprozess“ oder nicht, Verhandlungen oder nicht, Patt oder nicht, Israel wurde niemals verboten, weiter vollendete Tatsachen zu schaffen, mit der Absicht einen wirklich souveränen Palästinenserstaat zu verhindern.

 

Im Großen und Ganzen hat sich das palästinensische Volk diesem widersetzt. Zwei Intifadas (vier, wenn man den Aufstand gegen die britische Immigrationspolitik und die Unfähigkeit der palästinensischen Mehrheit, ihrer Stimme Gehör zu schaffen, und den Krieg 1948 dazu rechnet), dazu ständiger bewaffneter Kampf und Tausende von gewaltfreien Aktionen, vom Wiederaufbau zerstörter Häuser bis zur Steuerverweigerung von Beit Sahour. Von Zeit zu Zeit hat die palästinensische Führung eine kühne Initiative ergriffen, als es ihr gelang, den Bau der Trennungsbarriere vor den Internationalen Gerichtshof und anschließend vor die UN- Vollversammlung zu bringen, wo sie von beiden Gremien als illegal verurteilt wurde. Die gegenwärtige Kampagne für Boykott, Investitionsrücknahme und Sanktionen (BDS) gegen manche Hauptsäulen der israelischen Besatzung und Gesellschaften die davon profitieren, stellt eine weitere aktive Initiative der palästinensischen Zivilgesellschaften dar.

 

Und dann gibt es die Idee, einen Palästinenserstaat in den 67er Grenzen unilateral zu erklären, die die Palästinenser-Behörde absichtlich/ unabsichtlich während der vergangenen Wochen in Umlauf brachte. Es ist keine neue Idee. Die PLO hat die palästinensische Unabhängigkeit schon 1988 erklärt, aber ohne Bezug auf Grenzen hatte solch ein Schritt wenig Wirkung. Während der Oslozeit hat ein frustrierter Arafat wiederum gedroht, unilateral die palästinensische Souveränität zu erklären, wurde aber durch Israel und die US davon abgebracht. Was könnte einen neuen Versuch sinnvoll machen? Mehrere Dinge:

 

Anstelle einer generellen Unabhängigkeitserklärung würde die Palästinenserbehörde einen palästinensischen Staat mit festgelegter Grenze erklären, die von 1967 (die Waffenstillstandslinie von 1949), die bereits de facto über die Jahre anerkannt worden ist, von der UN-Resolution 242 bis zur Road Map. Die Festlegung der Grenzen ist es, die diese Initiative von früheren, auf dem Prinzip der Unabhängigkeit fußenden aber ohne territoriale Forderungen gestellte Erklärungen unterscheiden würde; letzteres sogar von Israel unterstützt, da es Israel vom Druck befreit, die Besatzung zu beenden, indem es den Palästinensern eine symbolische Souveränität verleiht.

 

Das hinter solch einer Initiative liegende Argument ist klar: sowohl das Kräfteverhältnis und die Dynamik der Verhandlungen umzukehren. Weil es das palästinensische Gebiet besetzt, kann Israel aus einer Position der Stärke verhandeln, während die Palästinenser, ohne irgendwelche Druckmittel keine Möglichkeit haben, Israel dazu zu drängen, sich in bedeutendem Maße zurückzuziehen. Appelle an das Völkerrecht, die das Spielfeld ausgeglichen hätten, wurden zunichte gemacht nachdem die USA Israels Behauptung, es gebe keine Besatzung, de facto unterstützten, indem sie die West Bank, Ostjerusalem und Gaza als „umstrittene Gebiete“ klassifizierte. Anstatt zu verlangen, dass Israel seine illegalen Siedlungen und andere Formen der Kontrolle aufgibt, zwingt diese Politik die Palästinenser dazu, über jede Siedlung, jede Straße und jeden Zentimeter Land zu verhandeln, ohne am Ende in der Lage zu sein, Israel dazu zu zwingen, irgendwelche ungewollten Zugeständnisse einzuräumen. Indem sie internationale Anerkennung eines palästinensischen Staates innerhalb anerkannter Grenzen sucht, inklusive Mitgliedschaft in der UN, versuchen die Palästinenser endlich, die Besatzung zu beenden und dabei, Israels Präsenz von der einer Besatzungsmacht zu der eines Angreifers zu machen, dessen unilaterale militärische und Siedlungsaktivitäten, wie auch seine Ausdehnung der eigenen Rechts- und Planungssysteme nach Palästina, nichts weniger darstellen als eine unerträgliche Verletzung der nationalen Souveränität Palästinas.

 

Wenn die Palästinenser ihren Staat innerhalb der von der internationalen Gemeinschaft seit 1967 anerkannten Grenzen erklärten, würde es dies nicht unilateral tun, sondern in Übereinstimmung mit den Mitgliedsstaaten der UN. Die Hoffnung wäre, die amerikanische Zustimmung zu bekommen, trotz wilder Versuche Israels, solch eine Initiative abzuwürgen, der entsprechend die europäischen Länder sich eingliedern würden. Die große Mehrheit der Länder im Rest der Welt würde auf alle Fälle den palästinensischen Staat anerkennen.

 

Wie vorherzusehen war, hat die USA die gerüchtemäßige (oder in Umlauf gebrachte) Initiative zurückgewiesen. Das State Department hat keine Zeit verloren, eine Erklärung herauszugeben, dass es „unser fester Glauben und unsere Überzeugung ist, der beste Weg für das gemeinsame Ziel eines zusammenhängenden und lebensfähigen palästinensischen Staates sei der durch Verhandlungen zwischen den Parteien.“ Zwei Senatoren, die zufällig in Israel waren, Kaufmann und Lieberman, machten bekannt, dass die USA gegen solch eine Resolution im Sicherheitsrat ihr Veto einlegen würden. Die EU fiel sogleich mit in den Gleichschritt ein, als der schwedische Außenminister, dessen Land gerade die rotierende EU Präsidentschaft hält, erklärte, dass für solch einen Schritt „die Umstände noch nicht reif seien“. Dennoch könnten die Palästinenser beschließen, ihren langwährenden, auf Amerika zentrierten Ansatz zur Erreichung der Selbstbestimmung aufzugeben, oder zumindest auszugleichen, indem sie sich an die breitere internationale Gemeinschaft wenden. Abbas erkundet solch eine Option unter den arabischen, muslimischen, lateinamerikanischen, afrikanischen und asiatischen Länderblocks. Wenn der Sicherheitsrat sich nicht bereit fände, eine solche Initiative zu behandeln, könnten die Palästinenser mit breiterer internationaler Unterstützung sich an die UN Vollversammlung wenden, die die Macht hat, durch eine Zweidrittelmehrheit eine besondere Notsitzung einzuberufen und eine Resolution zu verabschieden, die den Schritt billigt, und so das US-Veto umgeht.

 

Der Sicherheitsrat kann nicht ganz umgangen werden; seine Billigung ist notwendig, bevor ein Land Mitglied der UNO werden kann. Aber selbst ein symbolischer Appell von der Mehrheit der Mitglieder der Generalversammlung, einen palästinensischen Staat in den Grenzen von 1967 anzuerkennen, und sein Druck auf die Mitglieder des Sicherheitsrates, einen solchen Staat in die UN aufzunehmen, würde eine starke Botschaft an die Amerikaner und ihre europäischen Klienten senden. Leider steht die Erklärung der Eigenstaatlichkeit der Palästinenser, wenn sie auch mit internationalen Abmachungen konform wäre, im Konflikt mit den Anliegen anderer Mitglieder des Sicherheitsrats bezüglich unruhiger Völker in ihren eigenen Länder. Russland, das sich gegen die unilaterale Erklärung der Unabhängigkeit durch Kosovo wandte, wird von ähnlichen Aktionen in Tscheschenien, Südossetien und anderswo konfrontiert. China hat ähnliche Probleme mit den Uiguren, Frankreich mit Korsika, Großbritannien (vielleicht) mit Wales und Schottland, die Türkei mit den Kurden, usw. Die USA, die die Kosovaren wohl in ihrer unilateralen Aktion unterstützt haben und daher keinen Grund hätten, die Palästinenser zu verleugnen, konfrontieren dennoch die dauernde Herausforderung der Unabhängigkeit Puerto Ricos, von weltweiten aufständischen Kämpfen ganz zu schweigen. Und doch, die Einbringung der Frage palästinensischer Eigenstaatlichkeit vor dem Sicherheitsrat – sie könnte von Libyen, Burkina Faso oder Uganda eingebracht werden – würde eine nützliche Diskussion entfachen und dazu verhelfen, die Verantwortung Israels, der US und Europa die schwindenden Rechte der Palästinenser in den Mittelpunkt zu stellen. Und, immer wieder, würden die Palästinenser gezwungen sein, machtvoll und wiederholt zu betonen, dass ihre Erklärung der Staatlichkeit völlig mit dem international vereinbarten Endzustand eines palästinensischen Staates in den 67er Grenzen konform ist. Sie ist nur in dem Sinn ertrotzt, als die Palästinenser ihr Recht auf Selbstbestimmung nach Jahren behaupten, in denen sie von der internationalen Gemeinschaft hängen gelassen wurden und sich nirgendwo anders hinwenden konnten.

 

Am allerwichtigsten würde eine solche palästinensische Initiative eine Lösung des Konflikts mit den Israelis erzwingen. Wenn sie angenommen würde, könnten Jahre der in die Länge gezogenen Pseudoverhandlungen und den Tod tausender Palästinenser und Israelis vermieden werden. Es würde auch helfen, die Kairoer Rede Obamas einzulösen, und wahrscheinlich auch bessere Beziehungen zur Welt des Islam eröffnen, die neue Möglichkeiten bezüglich eines militärischen Rückzugs und Ausgleich und Stabilität mit sich brächte. Wären die US einverstanden, würden sich natürlich Europa, vielleicht auch Russland und China, eingliedern.

 

Es muss bedacht werden, dass in einer Zweistaatenlösung, wie sie die palästinensische Erklärung darstellen würde, Israel zwar noch auf 78% des historischen Palästinas verharren würde, die Juden aber durch die Rückkehr von auch nur einigen Flüchtlingen eine Minderheit werden würden. Es wäre trotzde, ein ziemlich großzügiger palästinensischer Kompromiss. Hamas hat die Initiative Abbas‘ abgewiesen, indem sie behauptete: willst du einen Staat ausrufen, dann tu es vom Mittelmeer bis zum Jordan. Doch wenn ein palästinensischer Staat allein auf den gesamten besetzten Gebieten herauskäme, ist es wahrscheinlich, dass Hamas sich der Unterstützung des Volkes, inklusive der Flüchtlingslager, nicht in den Weg stellen könnte. Der Staat, der dann entsteht, würde die Souveränität über seine Grenzen mit Ägypten und Jordanien und die Fähigkeit erhalten, ausländische Allianzen einzugehen. Es würde ein zusammenhängendes Gebiet besitzen, mit der Kontrolle über seine natürlichen Ressourcen (inklusive des Wassers, des Luftraumes und der Kommunikationssphäre), einer lebensfähigen Wirtschaft (besonders angesichts der Einbeziehung der Altstadt Jerusalems und Bethlehem als Touristenorte) und Ostjerusalem als seine politische, religiöse und kulturelle Hauptstadt, und der Fähigkeit, Flüchtlinge zu repatriieren. Nichts davon werden die Palästinenser in Verhandlungen mit Israel erhalten. Wenn eine Gegenleistung vereinbart wird, wie ein geteiltes Jerusalem, eine extraterritoriale Verbindung zwischen der West Bank und Gaza und ein qualitativer Gebietsaustausch, könnten die Palästinenser gewisse symbolische Orte an Israel abtreten: einen Sonderstatus für das jüdische Viertel der Altstadt und der historische Kern des Ezion-Blocks, würden eine solche Lösung schmackhafter machen. Im Übrigen würden die andern Siedlungen ein Teil Palästinas werden, obwohl die Palästinenser punkten könnten, wenn sie die Siedler einlüden, zu bleiben und in integrierten Gemeinschaften zu leben.

 

Eine unilaterale Erklärung, wenn sie von den USA abgelehnt würden ohne Aussicht auf echte Verhandlungen, die auf einen palästinensischen Staat im gesamten besetzten Gebiet innerhalb einer strikten Zeitvorgabe zielte, würde das definitive Ende der Zweistaatenlösung signalisieren. Zu dem Zeitpunkt könnten die Palästinenser sich auf das Programm einer Einstaatenlösung einigen, sei es ein demokratischer Staat gleicher Bürger oder, eher ausführbar, ein bi-nationaler Staat. Knackpunkt einer solchen Verschiebung wäre eine kräftige palästinensische Kampagne, die aufzeigte dass es Israel war, das die bi-nationale Lösung geschaffen hätte durch sein Siedlungsprojekt und dass Israel die Zweistaatenlösung eliminiert hätte, die die PLO bereits 1988 akzeptiert hatte. Wenn Israel die Schritte umsetzt, die es als Antwort auf eine palästinensische Unabhängigkeitserklärung angedroht hat – besonders die Annektierung der Zone C, etwa 60% der Westbank mit den Siedlungen – ist die sich ergebende Apartheidsituation klar und unannehmbar, sogar für die US und Europa. Israel hat dadurch den Schleier von der de facto Apartheid zerrissen, die bereits existiert und die Israel verewigen will. Durch die eigene Hand hat Israel die bi-nationale Wirklichkeit von Palästina/Israel bestätigt und den Pflock in das Herz der Zweistaatenlösung getrieben.

 

Trotz der ganzen Risiken, die es involviert, erscheint eine Erklärung der palästinensischen Eigenstaatlichkeit in den 67er Grenzen – die die Anerkennung der großen Mehrheit der Staaten in der Welt ernten würde – ein win/win-Vorschlag. Zumindest würde es die Gefäße eines machtlosen, uneffektiven und weniger als ehrlichen von Amerika geführten „Friedensprozesses“, der nirgendwohin führt, zerschlagen – er kann tatsächlich nirgendwohin führen, da er ein Niveau der Bestimmtheit gegenüber Israel erfordert, vielleicht sogar das Aufzwingen einer Lösung, welche bei den USA wie auch bei den europäischen Regierungen völlig fehlt. Die Erklärung würde auch Mächte der Zivilgesellschaften im Ausland mobilisieren, eine Art ultimativere BDS (Boykott, Divestment und Sanktionen) Kampagne zu initiieren. Angesichts des Scheiterns der Palästinenserbehörde, ihre Sache effektiv zu kommunizieren, würde eine unilaterale Erklärung die zugrundeliegenden Fragen des Konflikts – vor allem die Verantwortung Israels – ins Rampenlicht stoßen und eine Diskussion in den Medien und anderswo entfachen, die dringend Not tut.

 

All dies ist natürlich ein sehr unwahrscheinliches Szenario, obwohl angesichts des Zornes und der Frustration Abbas‘ und des Unvermögens Amerikas, den Siedlungsbau anzuhalten (während ich dieses schreibe, hat die israelische Regierung gerade den Bau von 900 weiteren Wohneinheiten in der Ostjerusalemer Siedlung Gilo bekannt gegeben), ist es nicht vollkommen unvorstellbar. Wenn es auch eine wachsende palästinensische Verzweiflung signalisiert, unterstützen nicht alle Palästinenser solch einen Schritt. Hamas hat ihn abgewiesen und sagt, die Besatzung muss beendet werden, bevor ein Staat erklärt werden kann. Palästinensische Politiker befürchten, dass die Erklärung, wenn sie als rein symbolisch gesehen wird, die Palästinenser in einer Situation festnageln könnte, in der Israel behaupten könnte, sie hätten nun ihre Selbstbestimmung, aber ohne die Fähigkeit, ihre Grenzen tatsächlich zu bestimmen – ein Schwebezustand der an die „Staat ohne Grenzen“-Formulierung der Road Map erinnert und von den Palästinensern als Todesgefahr angesehen wird. Und Unterstützer einer Einstaatenlösung, vor allem die palästinensische Diaspora, aber zunehmend in den Lagern und Besetzten Gebieten selbst, sind bereits weitergegangen. Aber irgendetwas muss getan werden, und angesichts des Ausbleibens eines Schutzes der Palästinenser oder einer Behauptung gegenüber Israel auf Seiten der internationalen Gemeinschaft, bin ich zumindest ratlos und unfähig Alternativen vorzuschlagen, welche die Dringlichkeit eines Auswegs aus der zunehmend genozidalen Besatzung ansprechen.Jeff Halper

 

Jeff Halper ist Anthropologe an der Universität in Beer Sheva und Koordinator vom Israelischen Komitee gegen Hauszerstörungen (ICAHD).

 

Orginalartikel: Dieser Artikel ist NICHT auf www.zmag.org erschienen!

 

Übersetzt von: Angelika Schneider / Ellen Rohlfs