Traumatisiert und isoliert

 

 

http://www.jungewelt.de/2009/07-30/061.php         Von Karin Leukefeld

Die Vereinten Nationen haben erneut an Israel in Sachen Gazastreifen appelliert. Demnach soll Tel Aviv, so die Forderung, die Grenzübergänge nach Gaza sofort öffnen und den Transport von dringend benötigtem Baumaterial genehmigen. Einen Monat vor Schulanfang sei es höchste Zeit, die im Krieg Anfang 2009 von Israel zerstörten Schulen und Universitätsgebäude wieder aufzubauen, damit die etwa 500000 Schülerinnen, Schüler und Studierenden eine Chance auf Bildung und Ausbildung hätten. Um 105 solcher Einrichtungen wieder aufzubauen, werden unter anderem 25.000 Tonnen Stahlgeflecht und 40.000 Tonnen Zement gebraucht.

 

Die seit mehr als zwei Jahren dauernde Belagerung des Gazastreifens habe  »unerhörtes Leid über die Kinder von Gaza gebracht«, sagte Philippe Lazzarini, derzeit UN-Koordinator für humanitäre Angelegenheiten in den okkupierten palästinensischen Gebieten (OPT). 18 Unterrichtsgebäude  wurden vollständig bei den israelischen Angriffen vor sechs Monaten zerstört. Etwa 300 weitere Schulen, Kindergärten und Universitätsgebäude wurden schwer beschädigt. 164 Schüler, Studierende und zwölf Lehrer waren bei dem dreiwöchigen Krieg Israels gegen Gaza getötet worden, Hunderte zum Teil schwer verletzt. Viele Kinder verloren ihre Eltern und Familien und damit auch ihr Zuhause, erklärte Lazzarini. Sie seien zutiefst traumatisiert und bedürften der psychologischen Unterstützung. Zudem sind viele Kinder und Jugendliche krank. Sie leiden unter Blutarmut (Anämie), ihnen fehlen Vitamine, gesunde und ausreichende Nahrung.       

 

Die vorhandenen Schulen der UN-Hilfsorganisation für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) sind völlig überlastet. Im Norden des Gazastreifens mußten 9.000 Mädchen und Jungen aus 15 beschädigten Schulen auf andere verteilt werden. Alle Bildungseinrichtungen arbeiten im Schichtbetrieb, damit der Unterricht gewährleistet ist. Jede Regierung, die die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und die Konvention über die Rechte der Kinder unterzeichnet habe, sei verpflichtet, Kindern und Jugendlichen den Zugang zu Bildung zu gewähren, erinnerte UNRWA. Derzeit ist noch für 1200 Schüler unklar, ob sie nach den Ferien Platz bekommen können.       

 

53 Prozent der Einwohner des Gazastreifens (780578 Menschen) sind jünger als 18 Jahre. Ihnen Lern- und Lehrmöglichkeiten vorzuenthalten führt dazu, daß die jungen Palästinenser in ihrer intellektuellen Entwicklung blockiert werden und damit immer weniger Zugang zu einer guten Ausbildung und Arbeit im In- und Ausland haben. Schon vor den verheerenden Angriffen Ende 2008/Anfang 2009 sah die Bildungslage düster aus. Unterrichtsbücher, Schuluniformen und Schreibmaterial standen bei den Israelis auf dem Index. Etwa tausend Studierende, die ein Stipendium im Ausland hatten, durften nicht ausreisen.       

 

Neu erlassene Grenzregelungen der israelischen Behörden machen es jungen Palästinensern nahezu unmöglich, den Gazastreifen für ein Studium im Ausland zu verlassen. »Meine Botschaft ist ganz einfach«, wandte sich UNRWA-Vertreter Chris Gunness vor den Trümmern der zerstörten US-amerikanischen Schule in Gaza an Israel und die Weltöffentlichkeit. »Lassen Sie den Wiederaufbau und die Reparatur von Schulen und Wohnungen zu. Die Kinder von Gaza verdienen einen Lebensweg in Würde. Wie alle Kinder auf der Welt.«