Brief an den BM Spindelegger bzgl. Durban II

 

MMag. Peter Melvyn                                                                                      

 

03. Mai 2009Karlsgasse 7/21040 Wien

 

 

An HerrnDr. Michael Spindelegger, Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten, Minoritenplatz 8, 1010 Wien

Sehr geehrter Herr Bundesminister!

 

Betrifft: Durban II

 

 

Ich erlaube mir als jemand, der jüdischer Herkunft ist und den Grossteil seiner Familie im Holocaust verloren hat, zu Durban II Stellung zu nehmen.Die Delegierten der EU-Länder, einschliesslich der österreichischen, die, kaum hatte der iranische Präsident das Wort ergriffen, mit selbstgerechter Entrüstung die Konferenz verliessen, befolgten leider nicht den Aufruf der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, sich der Debatte zu stellen, statt sich ihr zu entziehen. Letzteres war der einfachste Ausweg. Ist die blosse Erwähnung des Wortes “Israel” ein Tabu?  Man mag Herrn Ahmadi-Nejads Wortwahl und Stil missbilligen, aber inhaltlich entspricht seine Rede den Tatsachen, die kaum geleugnet werden können, ausser von jenen, die die Geschichte des 20. Jahrhunderts entweder nicht kennen oder mit Absicht gewisse Geschehnisse übergehen wollen. Sogar das U.S. State Department erklärte kürzlich, dass “Israel gegenüber den Palästinensern eine institutionelle, gesetzliche und gesellschaftliche Diskriminierung” betreibt. Die Politik des Zionismus – und später Israels – war von Anbeginn, –  seit dem Ende des 19. Jahrhunderts – rassistisch orientiert, d.h. die Verdrängung und Ausschaltung der einheimischen arabischen Bevölkerung zum Ziel hatte und sich folglich allmählich zu einem Apartheid-Staat entwickelte (s. Jimmy Carter:”Palestine: Peace not Apartheid”).

 

 

Obwohl die Delegierten der Aussenministerien der EU-Länder die Geschichte genau oder einigermassen kennen – von der Vertreibung 1948 von 750.000 Palästinensern und der Beschlagnahme ihres gesamten Besitzes, von der dem internationalen Recht zuwiderlaufenden Besetzung der übrigen palästinensischen Gebiete, begleitet von Landenteignung und Bau jüdischer Siedlungen, der Weigerung Israels die Vierte Genfer Konvention und zahlreiche UNO-Resolutionen anzuerkennen bis zu den Kriegen gegen den Libanon und dem jüngsten Angriff auf den Gazastreifen und dessen Zerstörung, – zogen sie es vor zu schweigen und sich aus Angst vor der Wahrheit zu drücken. Auch aus Angst des Antisemitismus geziehen zu werden, wie es Israel und die offiziellen jüdischen Gemeinden ihrer Länder bei der leisesten Kritik an der Politik Israels zu tun belieben. Auch in anderen Ländern werden Menschenrechte schwer verletzt. Doch Israel betont immer wieder eine ”Demokratie westlichen Stils” zu sein – was diese Länder nicht von sich behaupten – und “die moralischste Armee der Welt” zu besitzen! Welche westliche Demokratie hält das Land eines anderen Volkes seit 41 Jahren besetzt, verweigert ihm Grundrechte oder legt einen Teil des Landes in Schutt und Asche? Trotz der zahlreichen tödlichen Attentate der baskischen ETA, hat die spanische Armee nie eine baskische Stadt zerstört!

 

 

Herr Ahmadi-Nejad hat in seiner Rede das Existenzrecht Israels nicht in Frage gestellt, sondern sprach von der “Beseitigung des rassistischen zionistischen Regimes” (Wie oft in der Vergangenheit hofften Politiker offen auf die “Beseitigung des Sowjetregimes” ohne damit das ganze Land und dessen Bevölkerung zu meinen!). Er leugnete auch nicht den Holocaust, sondern meinte, dass unter dem “Vorwand ‘jüdischen Leidens’ ein ganzes Volk heimatlos gemacht wurde.” Unter diesem Vorwand rechtfertigt Israel seine Kriege und seine Unterdrückungspolitik. Die westliche Welt schweigt dazu, teils aus Schuldgefühlen, teils aus politischen und wirtschaftlichen Interessen. Dieser Vorwand ist ein Missbrauch “jüdischen Leidens”, des Holocaust, wie es von mehreren jüdischen Autoren aufgezeigt wurde, z.B. vom amerikanischen Professor Norman Finkelstein (“The Holocaust Industry”) und kürzlich von Avraham Burg, einem ehemaligen israelischen Spitzenpolitiker und Parlamentspräsidenten (“The Holocaust is over: we must rise from the ashes.”)Der britische UNO-Gesandte sprach von “beleidigenden antisemitischen Äusserungen” Ahmadi-Nejads, ohne die Rede gehört zu haben. Kritik an Israels Politik und an seinem Verhalten ist keine Kritik am Judentum per se. Die beiden werden ständig vermengt so wie Antizionismus und Antisemitismus. Alle Juden der Welt mit Israel gleichzusetzen ist ein fataler Irrtum, der immer wieder begangen wird, da Israel mit Absicht versucht alle Juden zu vereinnahmen und sich es erlaubt sich als ihren einzigen Sprecher auszugeben. Die Anzahl der Menschen jüdischer Herkunft, die sich dieser Vereinnahmung entschieden zur Wehr setzen, wächst zunehmend in den meisten westlichen Ländern, wie es Bewegungen wie “European Jews for a Just Peace in the Near East” oder das “International Jewish Anti-Zionist Network” u.a., die ausserhalb der offiziellen jüdischen Gemeinden agieren, bezeugen.Israel und mehrere proisraelische jüdische Gruppen hatten seit Durban I alles getan, um jegliche Debatte über Israels Rassismus bei Durban II zu verhindern und auf Länder Druck auszuüben, die Konferenz zu boykottieren, was ihnen auch teilweise gelang. Die UN-Hochkommissarin sprach mehrmals von einer “orchestrierten Kampagne” gegen die Konferenz und von “heftigen und verzerrten Angriffen gewisser Lobbies” (8. September 2008). Sogar die weitverbreitete Nachrichtenagentur “Jewish Telegraphic Agency” (New York) schrieb am 29. April 2009, dass “this time the Jews actually did conspire, albeit openly, to sabotage the conference…for the most part the organizers and participants did not want to point a finger at the Jews for their anti-Durban effort for fear of being labelled antisemites.” Alle israelkritischen NGOs waren von Anbeginn von ihren ihnen vorher zugesicherten Plätzen ausgeschlossen, die an proisraelische Organisationen wie die amerikanische UN-Watch abgegeben wurden. So wurde das Problem der Palästinenser als Opfer von israelischem Rassismus, Diskriminierung und Apartheid völlig übergangen. Durban II wurde somit zu einer Konferenz über Rassismus, ohne Nennung der Opfer oder der Urheber. Ein Rückschritt im Kampf gegen des Rassismus!

 

Mit freundlichen Grüssen,

 

Peter Melvyn“Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost (Österreich),” (www.nahostfriede.at